Wohnhaus auf vier Beinen mit tierischer Außenhülle

Seit dem 14. April 2022 war Almere in den Niederlanden für sechs Monate lang Schauplatz der Internationalen Gartenbauausstellung „Floriade Expo 2022“. Neben den zahllosen besonderen Blumen und Pflanzen aber fiel beim Rundgang über die Ausstellung ein wenig botanisches Objekt sofort ins Auge: Von weitem sieht es aus wie ein Imperial-Läufer aus der Starwars-Saga. Steht man direkt davor, wirkt es wie eine tierische Evolution aus dem Jurassic Park.

Das ist nicht allein der ungewöhnlichen Bauform geschuldet. Das liegt vor allem an der markanten Fassade in schimmernden Braun- und Kupfertönen. Sie erinnert an die Schuppenhaut eines Riesenfossils und besteht aus dreieckigen Keramikfliesen. Die Künstlerin Christine Jetten hat sie mit einer Spezialglasur veredelt. „The Rebel House“, entworfen von Architekt Cas van der Zanden zählt bei etwas gutem Willen noch in die Kategorie Tiny-House, das allerdings dank der Zusammenarbeit mit der Keramikkünstlerin Christine Jetten bekannte Konventionen sprengt: nachhaltig beim Material und speziell im Format. Das nachhaltige Konzept sowie die spezielle Optik erhält das Rebel House durch die spezielle Fassadenkeramik mit einer Feinstaubglasur. Der Feinstaub wird dafür aus der Stadtluft abgefangen und wiederaufbereitet.

Keramik nach Maß mit einer Spezialglasur

Zuerst wollten der Architekt und die Künstlerin die Prototypen selbst herstellen und dann einen Produzenten suchen. Doch Christine Jette setzte schlussendlich lieber auf die ihr bekannte Kompetenz der Architekturkeramik des Fliesenherstellers Agrob Buchtal. „Ich entwerfe kundenspezifische Keramikglasuren für Gebäudefassaden und Innenräume, die nicht im Handel erhältlich sind. Daher weiß ich um die Materialqualität und war sofort begeistert von der Idee, unglasierte Fliesen dieses Herstellers für das Design zu verwenden.“

Die Keramik-Außenhaut ist atmungsaktiv und schützt vor Wärmeverlust

Kreuzverleimtes Kiefernholz ist die Basis für Fassade, Böden und Dach. Als Dämmung dienen zusätzliche Holzfaserplatten mit 8 mm Fugen. Auf die Platten wurde eine 4 mm dicke Putzschicht aus hydraulischem Kalk aufgetragen. Dadurch können Haus und Fassade atmen. Auch die aufgebrachte Keramik ist dank der breiten Fugen atmungsaktiv und schützt gleichzeitig vor Wärmeverlust. Die Wahl fiel auf 30 x 30 cm große und 8 mm dicke, unglasierte extrudierte Fliesen, auf die die von Christine Jetten entwickelte Glasur aufgetragen wurde.

"Ich entwerfe kundenspezifische Keramikglasuren für Gebäudefassaden und Innenräume"
Christine Jetten, Keramik-Künstlerin

Ein Knackpunkt war die asymmetrische, spitzwinklige Form der Keramikdreiecke, in diesem Fall gedacht als „Tierschuppen“. Für den Beschnitt nutzte eine Spezialfirma Wasserstrahltechnik mit hohem Druck. Übliche Schneideverfahren hätten eine zu große Spannung erzeugt, so dass die langen, spitzen Dreiecke zerbrochen wären. Etwa 60 m2 Fliesen wurden für die Außenhaut des rebellischen „Wohn-Tiers“ verlegt. Das Muster war komplex und für den Fliesenleger herausfordernd. Deshalb projizierte der Architekt das Fassadenbild auf die Wandelemente. So konnten die Fliesen exakt nach Plan verlegt werden. Gefertigt wurden die Hauselementen geschützt in einer Werkshalle und wurden anschließend pünktlich zur Eröffnung der Floriade nach Almere transportiert werden.

Feinstaub als Deko-Material

Das Studio Christine Jetten aus Den Bosch ist als Spezialist für Spezialglasuren bekannt. In den letzten zwei Jahren lag ihr Fokus vor allem auf der Verwendung von Feinstaub, der bei einem stahlverarbeitenden Unternehmen gesammelt wurde. Die Installation, die dies gewährleistet, hat der Künstlerin nicht nur Arbeitsmaterial beschafft, sondern auch die Arbeitsumgebung erheblich gesünder gemacht. Das Unternehmen ENS Clean Air Cuijk fängt Feinstaub sofort aus der Stadtluft ein. Es kann als Rohstoff für keramische Baustoffe und Glasuren verwendet werden. Der neue Kalkmörtel in Kombination mit den Fliesen ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen den Fliesenlegern Andries Planting, Urban Creative und Randall van Elst.

The Rebel House

Das Rebel House, dessen Hülle aus gefrästem CLT-Holz (Cross Laminated Timber) besteht, kann innerhalb eines Tages aufgebaut werden. Abgesehen von der speziellen keramischen Fassade fällt die unkonventionelle und nachhaltige Bauweise auf. Das Badezimmer des Rebel House ist modular aufgebaut. Alte Module des Badezimmers können herausgenommen und im Rahmen eines zirkulären Kreislaufs recycelt werden. Die technischen Anlagen sind in die hölzernen Stützen. Die Beheizung erfolgt durch eine Wärmepumpe. Die von den Sonnenkollektoren erzeugte Energie wird in Batterien gespeichert, die ebenfalls in die Stützen integriert sind. Das Haus ist völlig autark.


Die unglasierten extrudierten Fliesen für die Fassaden lieferte Agrob Buchtal: https://agrob-buchtal.de/de/architekt-planer/
Das Studio Christine Jetten: https://www.studiochristinejetten.nl/
Die Bearbeitung der Fliesen im Wasserstrahl-Verfahren: https://www.decotiles.nl/
Das Feinstaub-Verfahren: https://www.ens-cleanair.com/

Fotos: Europarcs

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