Dass die großen Ambitionen der Ampel-Koalition hinsichtlich der Wohnungsbau-Politik nicht nur ins Wanken geraten, sondern gewissermaßen Makulatur geworden sind, wurde von Vertretern der betroffenen Branche in den Monaten mehr als deutlich angeprangert. 400 000 Wohnungen sollten gebaut werden, so der ehrgeizige Plan. Sie wären auch zwingend notwendig, um den Bedarf des Marktes zumindest annähernd zu decken. Davon ist die Realität meilenweit entfernt. Aktuell scheint es, als ob das Ziel nicht nur in weiter Ferne liegt, sondern auch unerreichbar ist. Denn die Baukonjunktur, jahrelang als properierende wirtschaftlicher Motor gepriesen, lahmt gewaltig. Böses Omen ist die Zurückhaltung der Bauwilligen, erkennbar an einem Absturz der Baugenehmigungen im Frühjahr 2023. Über 30 Prozent weniger Neubau-Bewilligungen gegenüber dem Zeitraum 2022 meldete das Statistische Bundesamt.
Dabei hat weniger der Wunsch nach den eigenen vier Wänden nachgelassen, sondern die Möglichkeit, ihn zu realisieren. Zuviele negative Faktoren erweisen sich derzeit als Bremsfaktoren: Inflation, gestiegen Zinsen, teure Energie, teure und nicht selten schwer zu beschaffendes Baumaterial sind einige der Spielverderber. Dass dies nicht nur bei Bauunternehmern, sondern auch bei den Bauzulieferern nicht ohne Folgen bleibt, kann man sich leicht ausrechnen. Beispiel: Deutsche keramische Fliesen-Hersteller. So ist die Steuler Fliesengruppe AG beileibe nicht das erste Unternehmen dieser Branche, das einen Insolvenz-Antrag beim Amtsgericht gestellt hat. Osmose, Boizenburg oder Bauzubehör-Hersteller Alferpro hatten diesen Schritt bereits vor kurzem gehen müssen.
Alle Unternehmen setzen große Hoffnung darauf, dass Restrukturierungen in Verbund mit einer Normalisierung der Baukonjunktur ein Weiterleben ermöglichen. So auch die Steuler-Gruppe, die sich im Rahmen der Insolvenz in Eigenverwaltung in den nächsten Monaten restrukturieren will, um „gestärkt aus dem Verfahren hervorzugehen und damit den Fortbestand der Fliesen-Unternehmen und der Arbeitsplätze zu sichern“. Der Fortbestand des Unternehmens sei das klare Ziel aller Beteiligten, betont Peter Wilson, Vorstand der Fliesengruppe. Anfang 2024 solle der Prozess soweit abgeschlossen sein, dass „wir als Unternehmensgruppe Anfang 2024 leistungsfähiger denn je aufgestellt sein werden“.
Wilsons Optimismus wurde allerdings von der Realität ausgebremst. Denn Ende September kam das Aus für den Erfolg der angepeilten Gruppen-Therapie. Laut einer Ad-hoc-Mitteilung kündigte die Steuler Fliesengruppe AG ihre Zerschlagung an, weil kein Investor für das Gesamtunternehmen gefunden wurde.
Inwieweit die vier Einzelunternehmen der Gruppe (Norddeutschen Steingut AG, Nordceram GmbH, Steuler-Fliesen GmbH und Kerateam) eine Zukunft haben werden, ist ungewiss. Fest zu stehen scheint, dass das Werk in Mühlacker, die Steuler Fliesen GmbH, mangels Interesse geschlossen werden wird. Dabei war gerade dieses Werk nicht nur die Keimzelle der Steuler-Gruppe, sondern auch der kreativste Kern, der stets sein Sortiment kreativ und abseits des Mainstreams ausrichtete.
Als Grund für die notwendige Sanierung hatte Wilson die Steigerung der Baupreise und Zinsen für Immobilienkredite sowie die große Verunsicherung über neue Vorschriften im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz in Deutschland genannt. Insider bezweifeln allerdings, dass allein die deutschlandweite Baukrise bei gleichzeitig ebenfalls stark rückläufigen Märkten in ganz Europa der alleinige Grund für das Steuler-Debakel gewesen sind. Denn festzustehen scheint, dass es sich bei der derzeitigen Markschwäche um einen vorübergehenden Zustand handeln handeln dürfte. Denn an dem dringenden Bedarf nach mehr Wohnraum in Deutschland wird sich schließlich nichts ändern. Und nachdem die Berliner Ampel und das Bundesbauministerium aus ihrem Tiefschlaf erwacht sind und konkrete Stützungsmaßnehmen beschlossen haben, sehen viele durchaus einen Silberstreif am Horizont der Baukonjunktur. Die Steuler Fliesengruppe beschäftigt insgesamt rund 650 Mitarbeiter an den Standorten Bremen, Bremerhaven, Mühlacker und Leisnig
Doch damit nicht genug. Fast zeitgleich meldet sich auch der Sanitär-Ausstatter Alape GmbH aus Goslar zu Wort. Durch den deutlichen Einbruch bei der Nachfrage insbesondere in Deutschland und durch Standortnachteile aufgrund der Energiekosten-Entwicklung sei für den Hersteller von Waschtischen aus glasiertem Stahl eine rentable Produktion nicht mehr möglich, heißt es in der Pressemeldung, die über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht informiert. Für ein kleines Unternehmen wie die Alape GmbH sei das Geschäftsmodell mit seiner energieintensiven Produktion unter den neuen deutschen Rahmenbedingungen nach der Energiewende nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, erkläret Alape-Geschäftsführer Bodo Müller vom Hofe diese Entscheidung. Wieviel Mitarbeitende davon Betroffen sind, geht aus der Meldung nicht hervor. Die Alape GmbH ist eine 100prozentige Tochter der Dornbracht AG & Co. KG.
Weitere Informationen:
Steuler Fliesengruppe: https://www.steulerfliesengruppe.de/
Alape GmbH: https://www.alape.com/