Keramische Fliesen zurück auf der Erfolgsspur

Foto: Engers

10.05.2022
Keramische Fliesen in Deutschland zu verkaufen, ist nichts für schwache Nerven. Die statistische Kurve des Fliesenverbrauchs auf deutschen Baustellen in den letzten 15 Jahren gleicht einer Berg- und Talfahrt. 12 Jahre, nachdem die Branche in den Abgrund blickte, sind die die düsteren Zeiten zwar nicht vergessen, aber immerhin überwunden. Dabei war der Aufstieg von 106,6 Millionen Quadratmetern (2009) zu den aktuell für das Jahr 2021 gemeldeten 135,3 Millionen Quadratmetern Fliesenverbrauch in Deutschland alles andere als geradlinig.
Als Grund für die Zuversicht sieht der Verband die Tatsache, dass der baugewerbliche Umsatz laut statistischem Bundesamt mit einem Plus von lediglich 1,4 Prozent deutlich unter Mehrverbrauch keramischer Fliesen lag. Für den Vorsitzenden des Verbandes Peter Wilson bedeutet das, dass der Fliesenmarkt weitestgehend von negativen Einflüssen unberührt geblieben ist.

Der Fliesenmarkt ist weitestgehend von negativen Einflüssen unberührt geblieben.
Peter Wilson Vorsitzender des Bundesverbandes Keramische Fliesen BKF

Und außerdem würden heute „Fliesen als hochwertiges, multi-funktional taugliches Belagsmaterial für den gesamten Wohnbereich“ gelten. Unstrittig unter Branchenkennern ist die Tatsache, dass dieser Imagegewinn in erster Linie dem keramischen Bodenbelag zu verdanken ist. Der habe sich nach Wilsons selbstbewusster Einschätzung nämlich aus dem ehemaligen Zweckbelag inzwischen als „bench mark“ etabliert, „die man sich leisten können muss, oder an der sich die Materialkonkurrenz messen lassen muss“.

Ob diese Konkurrenz das allerdings auch wirklich tut, ist eine andere Frage. Denn nach wie vor bestimmen Laminate, so genannten „Luxury Vinyl Tiles“, besser bekannt als „LVT“, oder ähnliche Kunststoffbeläge das Feindbild der Keramiker, die meist voller Sehnsucht auf deren Zuwachsraten blicken. Ob dies so bleiben wird, ist allerdings fraglich, denn diese Produkte sind in der Regel Zur potenziellen Mangelware) Erdöl basiert. Die Keramiker haben zwar ökologisch wegen ihrer natürlichen Rohstoffe die besseren Karten. Doch allzu großen Grund zum Jubeln haben auch sie nicht. Denn etwa 80 Prozent der in Europa für die Produktion keramischer Fliesen benötigen Tone kommen aus den umkämpften Gebieten in der Ukraine und dürften auf absehbare Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Und auch das Thema Erdgas könnte den Fliesenherstellern auf die Füße fallen und für in so manchem Brennofen zur Mangelware werden.

Doch der Bundesverband Keramische Fliesen e. V., der zehn deutsche Unternehmen der deutschen Fliesen- und Spaltplattenindustrie vertritt, gibt sich zuversichtlich. Immerhin stieg der Verbrauch 2021 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozent. Und das trotz der bereits 2020 herrschenden Erschwernisse wie Preissteigerungen und Lieferengpässe.

Etwa 80 Prozent der in Europa für die Produktion keramischer Fliesen benötigen Tone kommen aus den umkämpften Gebieten in der Ukraine.

Das treibt durchaus auch den keramischen Verbandsfunktionäre Sorgenfalten ins Gesicht. Denn der Ersatz insbesondere für Tone durch Zukauf aus dem entfernteren Ausland werde sich nicht nur wegen der hohen Transportkosten, sondern auch mit Blick auf entsprechende Qualitäten nur bedingt realisieren lassen, so Peter Wilson. Gut beraten sind also diejenigen Produzenten, die sich auf heimische Rohstofflieferanten stützen können. Tone aus dem Westerwald, seit langem nicht nur bei deutschen Fliesenhersteller sehr beliebt, dürften hier gefragt sein wie nie. Kurze Transportwege und regionale Wertschöpfung gelten daher als Überlebens-Strategie. Dass dies in der Vergangenheit aus mannigfaltigen Grüßen in Vergessenheit geraten ist, dürfte manchen an die Diskussionen über die Abhängigkeit von russischem Erdgas erinnern.

Dennoch bleibt Wilson optimistisch. Denn bei allen widrigen Umständen, die derzeit herrschen, bleibe eine positive Botschaft für die Branche: Auf deutschen Baustellen sei die keramische Fliese gefragt wie noch nie. Zu verdanken sei dies dem Imagewandel, dem die deutsche Fliesenindustrie über eine langjährige Informations-Kampagne der Qualitätsinitiative buchstäblich den Boden bereitet hat. Aus diesem Grund wollen die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands ihre vom Fachverband Fliesen und Naturstein (FFN) unterstützte Aktion „pro Fliese“ und „pro Fachverlegung“ trotz der schwierigen Zeiten fortzuführen. Damit könne die Branche in partnerschaftlicher Zusammenarbeit die derzeitige Krise meistern, ist Jens-Uwe Fellhauer, Geschäftsführer des BKF, überzeugt.

Der deutsche Fliesenmarkt im Überblick
Insgesamt war der Fliesenabsatz in Deutschland für die Fliesenhersteller zufriedenstellend. Der Verbrauch 2021 beträgt nach vorläufigen Zahlen 135,3 Mio. m². Dies entspricht einem Plus von 3,6 Prozent. Die Produktion ist leicht, um 0,8 Prozent, gestiegen, die Importe um 4,9 Prozent und die Exporte um 4,6 Prozent. Die Umsätze sind um 6,3 Prozent gestiegen, was zum Teil auf die Kostensteigerungen zurückzuführen sein dürfte. Bei den Sortimentsstrukturen haben Veränderungen hin zu Großformaten und stärkeren Fliesen (für den Bereich Outdoor) stattgefunden.. Bei den Importländern liegt unverändert Italien vorne (+6,3 Prozent), gefolgt von der Türkei (+18,3 Prozent) und Spanien (ca. +5 Prozent). Während die Anti-Dumping-Maßnahmen gegen Importe aus China ihre Effektivität zeigen, konnten Hersteller in Indien und Russland ihre Exporte nach Deutschland drastisch ausbauen (+53 Prozent bzw. +118 Prozent). Letztere profitieren von besonders industriefreundlichen Rahmenbedingungen (z. B. niedrige Energiepreise und geringe Umweltstandards).Ein Ausblick für 2022 sei angesichts des Ukraine-Kriegs kaum möglich, so der Verband. Die Auseinandersetzung habe die Energiekosten für Hersteller in die Höhen getrieben und betrügen inzwischen ein Vielfaches dessen, was Hersteller bisher für Energie aufbringen mussten.

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